Warum heißt es eigentlich "Rotfunk"?

Textauszug aus einer KURIER Serie mit dem Titel „50 Jahre Fernsehen“. Autoren sind die Kommunikationswissenschaftler Fritz Hausjell und Christian Schwarzenegger.

ORF"Als [..] das freie Fernsehen seinen Betrieb aufnahm, zeigte die österreichische Politik, dass sie keine Zensurmaßnahmen brauchen würde um sich ihren Einfluss auf das neue Medium zu sichern. Der Österreichische Weg war, wie in so vielen Dingen, gemütlicher, wenn auch nicht weniger effektiv. Es war der Weg des Proporzes, der paritätischen Teilung von Einfluss und Macht zwischen Rot und Schwarz.

Dabei war ursprünglich alles anders. Denn die ÖVP hatte sich schwerwiegend verschätzt. Fernsehen würde ein exklusives Minderheitenvergnügen bleiben, Fernsehen wäre nicht leistbar und damit auch nicht leistungsfähig für die eigenen Interessen. Nämlich die flächendeckende Verbreitung des Wortes der Partei. Dazu schien der Hörfunk, der Mitte der 50er Jahre flächendeckend verbreitet war und über gut ausgebaute Programme verfügte das geeignetere Instrument. Das Fernsehen, das noch nicht einmal Kinderschuhe füllte sondern recht bloßfüßig daherkam, wurde großzügig dem Einflussbereich der SPÖ überlassen, für sich selbst beanspruchte die ÖVP das Radio. Das Bonmot von 'schwarzer Welle und rotem Schirm' hatte seine Grundlage erhalten.

Das Fernsehen wurde zum Erfolg [..]. Der politische Fehler war evident und alsbald korrigiert. Der vierköpfige Vorstand der 1957 gegründeten 'Österreichische Rundfunk Gesellschaft m.b.H' wurde bereits mit je zwei ÖVP- und SPÖ-Vertretern besetzt, der Proporz auf alle Unternehmensebenen ausgeweitet. [..]
Hugo Portisch, damals Chefredakteur des 'Kurier', erfuhr von Geheimvereinbarungen im Hintergrund der Koalitionsverhandlungen 1963. Hörfunk und Fernsehen sollten demnach direkt dem Einfluss der Parteisekretariate unterliegen, eigene Kommissare hätten die Einhaltung der gleichmäßigen Verteilung von ÖVP und SPÖ im Programm überwachen sollen.

Eine 'Aktion gegen das Rundfunkdiktat' wurde vom 'Kurier' ins Leben gerufen und von anderen Zeitungen unterstützt. Dies führte in weiterer Folge zum ersten Volksbegehren der Zweiten Republik – dem Rundfunkvolksbegehren von 1964. Gestützt auf 832.353 Unterschriften kam es zur Behandlung ins Parlament. [..] Ab 1967 war der ORF [..] unter dem Generalintendanten Gerd Bacher mit beachtlicher Autonomie gegenüber der Politik ausgestattet. Eine vorübergehende Freiheit."


aus: Hausjell, Fritz / Schwarzenegger, Christian: Medienfreiheit auf dem Prüfstand: Politik und TV. Frei von Einflussnahme war der ORF immer nur theoretisch. Serie „50 Jahre Fernsehen“, 2. Teil. In: Kurier, 3. August 2005, S. 26.
Quelle:
http://www.scribd.com/doc/76547631/Hausjell-Schwarzenegger-50-Jahre-ORF-Folge-2-Politik

Dieselben Autoren, ähnlicher Text, andere Zeitung:
http://derstandard.at/1918329

Die ÖVP datierte die erfolgte Entpolitisierung des ORF einst mit 2002:
http://www.oevpklub.at/fileadmin/Inhaltsdateien/Parlamentsklub/Dokumente/Bilanzen_Klub/Halbjzeitbilanz_Sch__ssel-Passer_2002.pdf
Google Cache: https://docs.google.com/viewer?a=v&q=cache:KtsiW5En-LYJ:www.oevpklub.at/fileadmin/Inhaltsdateien/Parlamentsklub/Dokumente/Bilanzen_Klub/Halbjzeitbilanz_Sch__ssel-Passer_2002.pdf+&hl=de&pid=bl&srcid=ADGEESgfp-Rx-R071PyJfm88JGZJ-OZzGYFlH7yqRaMp-h0UwlJbrxYC5IMvNlUyz0opGipA6dK7NK9zXHDzv8XK131KP8JirxxSV9fZoq5QFNPwNvUIdzzhW_D3Xd24cIlYCmsbSxs5&sig=AHIEtbSgBSnv1-oftcSbA1L6eG70p73X1Q
Screenshot:
https://lh4.googleusercontent.com/-LbqGL1iZiFs/T3S3LQLakPI/AAAAAAAAAd0/r-5fJe9fQkM/s0/oevpklub_entpolitisierung_orf.png


Tatsächlich galt der ORF unter Schwarz-Blau (2000-2007) wieder als "Schwarze Welle":
http://books.google.at/books?id=952r5rFMLDIC&pg=PA426&lpg=PA426&dq=hausjell+schwarzenegger&source=bl&ots=g3qjUioFqa&sig=dRetpDO9dGxC26WdIFexBZa7v7s&hl=de&sa=X&ei=zvb4Tr3BEYqF4gS-yvkY&ved=0CDwQ6AEwBQ#v=onepage&q=hausjell%20schwarzenegger&f=false

Armin Wolfs Protestrede (anlässlich der Verleihung des Robert Hochner Preises 2006) im Wortlaut:
http://derstandard.at/2450151

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