Lobbyisten unter der Lupe (Video, ORF €co)

Lobbyisten unter der Lupe

[TRANSKRIPT] Stellen Sie sich vor, Sie bekommen einen Anruf und dieser Anrufer bietet Ihnen Geld – bares Geld. Sozusagen eine Prämie, damit Sie in seinem Interesse intervenieren, lobbyieren. -Würden Sie darauf einsteigen?

Herzlich willkommen bei €co.

Manches Lobbying ist erlaubt, manches nicht.
Die Affären rund um die BUWOG, die Eurofighter und zuletzt um die vermeintliche Bestechlichkeit des EU-Abgeordneten Ernst Strasser: Sie bringen Lobbying immer öfter mit Korruption in Verbindung.
Ein brandneues Gesetz soll das Geschäft mit dem politischen Einfluss künftig regeln. Verbesserung oder Alibiaktion? Ein Bericht von Hans Hrabal.

Wer ist Lobbiyst?

Zwielichtige Lobbyisten rund um Politik, Parlament, Wirtschaft und Interessenvertretungen sollen nun endlich ins Licht der Öffentlichkeit gezwungen werden. Ein hehres Ziel, denn wer oder was hierzulande ein Lobbyist nämlich sein soll, was er darf - oder nicht, dafür gibt es bisher keine Anhaltspunkte. Als Lobbyisten kann man bei uns jeden bezeichnen, der zwischen Politik und Wirtschaft mauschelt, packelt, verhandelt oder vermittelt: Medienberater, Geschäftemacher, Interessensvertreter oder gar Politiker.

Idee: Mehr Transparenz durch Lobbyisten-Register
Ihr [Claudia Bandion-Ortner, Anm.] reicht es jetzt, die Anlassfälle haben sich wohl zu sehr gehäuft. Die Justizministerin will endlich durchgreifen. CBO: „Ich denke an die Schaffung eines Lobbyisten-Registers. Lobbyisten sollen sich dort eintragen lassen, es sollen Ziele und Auftraggeber ersichtlich sein, es sollen Verhaltensregeln aufgestellt werden, auch Honorarempfehlungen; und es soll vor allem Sanktionen geben, wenn man sich nicht an diese Verhaltensregeln hält! Ich denke hier an doch saftige Geldstrafen.“

Gemäß dem Ministervorschlag sollen Lobbying-Aktivitäten durch Registrierung transparent werden. Ein entsprechendes Lobbyisten-Gesetz wird dies bis Mai verbindlich festmachen. Der Vorschlag hat freilich seine Lücken: Vom neuen Gesetz sollen nämlich nur Lobbying Agenturen und Berater erfasst werden, alle anderen Interessenvertreter, wie Kammerverbände, Gewerkschaften, NGOs wie Bürgerinitiativen oder die zahllosen angestellten Lobbyisten bei Unternehmen und Konzernen sollen davon ausgenommen sein.

Halbherzig?
Feri Thierry vertritt jene Agenturen und Berater, die durchs neue Gesetz ins Fadenkreuz geraten sollen. Den Ministervorschlag findet er ungerecht und halbherzig. FT: „Aus meiner Sicht ist ein Lobbyisten-Register absolut sinnvoll. Wichtig ist nur, dass da wirklich alle eingetragen sind, die in Österreich ihre Interessen vertreten. Dazu gehören nicht nur Agenturen, die das im Auftrag eines Kunden machen, sondern Unternehmen selbst auch, die ihre Interessen [gegenüber politischen Entscheidungsträgern, Anm.] vertreten, genauso wie Verbände, NGOs, bis hin zu Kammern! Alle, die Interessen vertreten in Österreich, und damit an die Politik, an Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung herantreten, sollen in dieses Register. Dann gibt’s auch eine Chancengleichheit und dann ist auch klar, wer sich von wem finanzieren lässt, wer () von wem unterstützt wird, wer mit welchem Anliegen wo hin geht.“

Tausende Interessensvertreter
€co hat alle heimischen Interessenvertreter unter die Lupe genommen: Agenturen, die Lobbying anbieten, gibt es gerade einmal 37 im Land. Zählt man die diversen Politikberater dazu, so kommt man nur auf etwa 100 freiberufliche Lobbyisten. Der Großteil der gewerbsmäßigen Interessenvertreter sitzt hier in Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer, Industriellenvereinigung, Gewerkschaftsbund und Landwirtschaftskammern. Insgesamt beschäftigen sie tausende Mitarbeiter, von denen manche auch [sogar, Anm.] im Parlament sitzen. In anderen Ländern würde man auch sie als Lobbyisten bezeichnen, in Österreich gelten sie als ‘Säulen des Systems‘, mit denen sich auch eine Justizministerin nur ungern anlegt.

CBO: „Aber natürlich, dass aus den Kammern Abgeordnete so quasi ins Parlament kommen, das ist ganz was normales. Es müssen ja alle Interessen vertreten sein, im Parlament. Aber, es darf niemand natürlich das Gesamtwohl aus den Augen verlieren. Und niemals dürfen finanzielle Eigeninteressen eine Rolle spielen, das ist wichtig.“

Leitl'sche Eigenwahrnehmung
In der Wirtschaftskammer bemüht man sich, die Interessen aller österreichischen Unternehmer unter einen Hut zu bringen und sie gegenüber der Politik und anderen Interessensgruppen durchzusetzen. Als Lobbyist betrachtet sich der Präsident der WKÖ [Christoph Leitl, Anm.] trotzdem nicht. CL: „Wir haben als Interessenvertreter der Arbeitgeber, der Arbeitnehmerseite immer das Gesamte im Auge zu haben: den Wirtschaftsstandort Österreich, seine Entwicklung, seine Zukunft; Damit haben wir auch eine Allgemeinverantwortung wahrzunehmen und die unterscheidet sich vom Lobbyisten dadurch, dass er halt einen unternehmensspezifische Vorschlag einbringen will, und will, dass das in der Politik umgesetzt wird.“

EU-Reglement

Außerhalb Österreichs sieht man das ganz anders. In der EU-Kommission und im Europaparlament treiben sich 15.000 Interessenvertreter herum. Die Organisationen, für die sie arbeiten, werden alle gleich behandelt und müssen sich ins Europäische Lobbyisten-Register eintragen. Insgesamt betrifft das 245 freie Lobbyberater und Anwälte; knapp 1.800 Verbände, Gewerkschaften oder Unternehmen; ca. 1.200 NGOs oder Think Tanks und 530 Kirchen und Universitäten.

Das Lobbyisten-Register der EU ist auch über Internet einsehbar. Viele österr. Firmen, Verbände und Interessensvertretungen sind hier registriert. Auch jene, die zuhause nicht als Lobbyisten betrachtet werden wollen, gelten gemäß europäischen Regeln unmissverständlich als Lobbys.

USA noch strenger

In den USA sind die Auflagen und die Definitionen für Interessenvertreter aller Art noch strenger. Wer auch immer professionell Umgang mit Politikern in Senat oder Kongress pflegen will, muss sich hier registrieren lassen. Vierteljährlich müssen exakte Reports über Termine und Aktivitäten abgegeben werden. Spenden und Sponsoring müssen halbjährlich gemeldet werden. Ebenso wie genaue Angaben zu Auftraggebern und deren Interessen, aber auch die Höhe der konkreten Lobbying-Honorare. Gerade die amerikanischen Lobbyisten-Regeln gelten weltweit als vorbildlich. In den meisten Ländern, in denen man politische Korruption, anonyme Parteienfinanzierung und fragwürdige Einflussnahme auf Politiker besser in den Griff bekommen will, lehnt man sich am US-Modell an.

FT: „Die Debatte haben wir jetzt (mittlerweile) in sehr vielen europäischen Ländern schon, wenn man Deutschland schaut, nach England, nach Frankreich: Überall diskutiert man solche Lobbyisten-Register und überall läuft es darauf hinaus, dass alle Lobbyisten-Vertreter drin wären. Das heißt Österreich würde mit dieser ersten Idee der Justizministerin einen internationalen Sonderweg beschreiben, das kann eigentlich nicht das Interesse Österreichs sein…“

Mir san mir

In Österreich bahnt sich einstweilen nur ein Reförmchen an, frei nach dem Motto: ‚Es muss schnell etwas geschehen, damit alles so bleibt wie es ist‘, will die Justizministerin ihr Lobbyisten-Gesetz am Dienstag nächster Woche zuerst einmal mit den Klubchefs der Parteien abstimmen. Dass der Justizvorschlag dort verschärft wird, ist nicht anzunehmen, denn er muss ja von Abgeordneten beschlossen werden – die durch schärfere Lobbyregeln zum Teil selbst betroffen wären…

*Komische Musik, eine schräge Tröte, wie eine schlechte Pointe, die umfällt*


#bandion nicht mehr ministerin, ex-wiss.ministerin karl ist jetzt dran. ihr gesetzesentwurf könnte schon beim nächsten ministerrat diskutiert und schon 2012 umgesetzt werden.

// TAGS:
|WKÖ| |Lobbyisten-Register|

|Video|Christoph Leitl|Claudia Bandion-Ortner|Feri Thierry|

1984
Leben
Lobbycontrol
ORF
Telekom Austria
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren